Stets kritisch

Stets kritisch

Donnerstag, 20. August 2015

Die Welt zu Gast bei Freunden

Die Welt zu Gast bei Freunden - Von Philipp Heine

Die Bewohner der nordwesteuropäischen Zivilisation sind froh darüber, dass sie das Umherirren in der Wildnis hinter sich gelassen haben. Stadt, Haus, Burg und Weiler lassen den Menschen behaglich werden. Natur ist schön, wenn sie gezähmt ist. Gemütlichkeit ist ohne das Vorhandensein von Mauern kaum vorstellbar. Auch unser Verständnis von Kultur ist nicht ohne die dicken Mauern von Burgen, Kirchen und Städten komplett. Wer es zu etwas gebracht hat, kauft sich ein Haus, baut einen Zaun darum und lässt es von Tonzwergen bewachen. Besitz ist, was ich legal vor anderen Menschen in Sicherheit bringen kann. Nichts ist typischer für den Deutschen, als die Tendenz, Mauern und Bunker anzulegen.
Es gibt Menschen, die ihr Wohlempfinden durch das Maß ihrer persönlichen Freiheit bestimmt sehen. Nicht der Deutsche. Sicherheit, Planbarkeit und Berechenbarkeit sind wesentlichere Parameter, wenn es um des Teutonen Komfort geht. Liberalismus hat in Deutschland nur geringe Chancen. Zwar wagt der Deutsche es, durch die Fenster in seinen Mauern zu blicken und von Abenteuern zu träumen, doch bereits auf Mallorca gerät er in Panik, wenn deutsche Küche und deutsche Sprache nur einen Moment außer Reichweite sind. Gefahren, Risiken und Improvisation sind Vorboten von Anarchie und Apokalypse. Es ist kaum verwunderlich, dass politischer Fortschritt gleichbedeutend mit einer schrittweisen Verwandlung der Gesellschaft in eine barrierefreie, verkehrsberuhigte und gepolsterte Zone ist, in der Kleinkinder und Senioren vor allen bösen Einflüssen der Welt, wie etwa Lärm und Schmutz, sicher sind. Über allem herrscht die große Mutti.
Doch die Sicherheit ist nur eine Illusion, die schnell von der Realität einer globalisierten Welt heimgesucht werden kann. Erschreckte Hobbits linsen vorsichtig durch den Türspion, nachdem es an der schweren Eingangspforte geklopft hat. Draußen stehen dunkle Gestalten in schmutzigen Kleidern, die Einlass begehren. Abenteurer!
Abenteurer sind stets Menschen auf der Flucht. Es lassen sich zwei Sorten unterscheiden. Die einen sind von einfachem Verstand und haben so lange monotone Computerspiele gespielt, Harz IV bezogen oder Shopping-queen und Dschungelcamp gesehen, bis tief in ihnen etwas kaputt gegangen ist. Wenn dann linke, rechte oder salafistische Hassprediger an sie herantreten und ihnen den Kampf für das Gute – inklusive Sex und Gewalt – versprechen, machen sie sich auf den langen und planlosen Marsch. Sie flüchten vor ihrem eigenen tristen Ich, das sich schämt, weil es auch nach zehn Jahren Schule noch nicht alle Buchstaben beherrscht. Die andere Gruppe besteht aus Menschen, die Not und Verfolgung – etwa durch die erste Gruppe – gezwungen haben, mit Sack und Pack, Kind und Kegel zu neuen Ufern aufzubrechen. Wenn sie je Mauern hatten, haben sie diese aufgeben müssen. Sie haben mit allen Sinnen und Emotionen Existenzangst, Hunger, Gefahr, Tod, Hitze und Kälte erlebt. Empfindungssterile Deutsche zahlen mitunter Geld, um solche Erfahrungen für einen kurzen Moment kennen lernen zu dürfen.
Hier stoßen zwei Welten aufeinander. Störende Fremdköper bedrohen all jene Greise und Babys, die doch in Ruhe schlafen möchten. Sie sprechen fremde Sprachen und bringen rückständige Weltanschauungen in den Garten Eden. Sie kennen keine Computer, sind gewalttätig und behandeln ihre Frauen wie Sklaven. Sie sind also etwa wie die Deutschen vor 50 Jahren. Schnell wird klar, dass es nur an ihrer Religion liegen kann, dass sie keinem unserer Standards genügen. Besonders die 1,24 Prozent, in denen sich diese von der unseren unterscheidet, sind höchst verdächtig.
Wundersamer Weise sind es besonders jene Süd- und Ostdeutschen, die einst nur widerwillig zu Bürgern der Bundesrepublik geworden sind, die nun entrüstet zur Tat schreiten. Bewaffnet mit Fackeln und Transparenten sorgen sie dafür, dass jeder erfährt, dass das Boot ja voll  und die – im Herzen immer verachtete, aber inzwischen bewährte – Demokratie durch Zuwanderung gefährdet sei. Was sollen wir mit Menschen, die nicht hinreichend ausgebildet, arm und zudem nicht bereit sind, sich uns sexuell hinzugeben, wie unsere thailändischen oder russischen Importehefrauen? Marodeure, die schon lange auf einen Anlass gewartet haben, sind im Begriff, das Bundeskristalljahr auszurufen. Endlich können die Deutschen ihre kulturelle Überlegenheit unter Beweis stellen. Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten.

Ich wünsche uns, dass nicht alle historischen Fehler erneut gemacht werden müssen, um zu besseren Menschen werden zu können.

Philipp Heine

Donnerstag, 13. August 2015

Wellness für den einfachen Geist

Wellness für den einfachen Geist - Von Philipp Heine

Die wahre Revolution, die sich in den letzten Jahrzehnten vollzogen hat, besteht darin, dass sich die nordwesteuropäische Kultur unzumutbarer Schikanen entledigt hat, die ihre Bewohner seit jeher von Kindesbeinen an gequält und gedemütigt hat.  Zu diesen zählt an oberster Stelle die Bildung. Wider allen Warnungen von Psychologen, Experten und Politikern wurden zahllose unschuldige Kinder von den Brüsten der Mütter gerissen und unter Androhung von Strafen genötigt, unpraktische Tätigkeiten, wie etwa Lesen, Auswendiglernen, Schreiben oder das Erfassen naturwissenschaftlicher oder historischer Zusammenhänge auf sich zu nehmen. Wie wenig kindgerecht konnte es sein, kleine Menschen in die Form kleiner Erwachsener zu pressen?  Die Kindheit wurde erbarmungslos verdrängt. Statt glockenheller Stimmchen, die lachen und spielen, nur Tränen und Indoktrination im Frontalunterricht. Doch auf leisen Sohlen kam die Erlösung: Das Internet und die neuen Medien brachten die Erkenntnis, dass sperrige Bildung weder den Ansprüchen der Wirtschaft noch der kindlichen Seele entspricht. Viel praktischer und verdaulicher als Bildung war die Information. Es galt also, den Kindern zu sagen, wie sie liebe Kinder seien, damit sie dann selbstständig aus dem Strom der Informationen wählen können, was gut und wichtig für sie ist. So funktioniert basisdemokratische Pädagogik. Für die devianten Kinder, denen es an genügender Selbstständigkeit ermangelte,  wurden humanistische Alternativen, wie etwa Integrationsklassen, Inklusionsklassen oder Ritalin dargeboten. Endlich musste nicht mehr gefragt werden, wozu man jenes Wissen und all jene Zusammenhänge jemals im Alltag oder bei der Arbeit gebrauchen könne. Statt der täglichen Neuerfindung des Rades muss nur noch der Hahn geöffnet werden, und die benötigte aktuelle Information fließt heraus. Bei all dem Wissen, das sich im Laufe der Jahrtausende angesammelt hat, kann keinem Menschen mehr zugemutet werden, alle Zusammenhänge und Hintergründe kennen zu müssen. Zu diesem Zweck gibt es professionelle Fachleute. Viel wohltuender für den Menschen ist es, ihm einfache Strukturen, leichte  Entscheidungen und eine auf den Punkt gebrachte Übersetzung all der komplizierten Fachbegriffe zu liefern. Fernsehen und die neuen Medien sind die idealen Mittel zu diesem Zweck. Bildung ist die intellektuelle Selbstbefriedigung einer aussterbenden Elite. Einem wahren Demokraten muss klar sein, dass Gleichheit und Bescheidenheit auch auf geistiger Ebene notwendig sind.

In der politischen Landschaft Europas wurden die Zeichen der Zeit von verschiedenen Parteien erkannt. Grauzonen und Komplexität wurden als Ausreden entlarvt, die von der alten Generation vorgebracht wurden, um sich vor der praktischen Umsetzung der moralischen Verantwortung zu drücken. Entweder man ist für die Umwelt, oder dagegen. Entweder man ist für soziale Gerechtigkeit, oder dagegen. Entweder man erkennt, dass Migranten eine Bedrohung der abendländischen Kultur sind, oder man weiß, dass jeder Flüchtling aufgenommen werden muss, wenn man kein Nazi sein will. Gerechtigkeit ist eindeutig!

Eindeutigkeit ist zudem der Treibstoff einer neuen abenteuerlichen Welt, in der wieder für das Gute gekämpft werden kann und muss. Opposition ist keine Alternative, sondern ein moralisch zutiefst verwerflicher Gegner. Die Presse, die verkompliziert oder die Meinung des Gegners vertritt, muss lügen, da es nur eine Gerechtigkeit und eine Wahrheit geben kann. Verständlichkeit und Eindeutigkeit öffnen auch der höchsten Form der Demokratie, nämlich der direkten Demokratie Türen und Tore. Jeder kann bald alles mitbestimmen. Der Gipfel der politischen Evolution ist erreicht. Wir leben in einer Zeit, die wieder viel Energie erzeugt. Ein Geist des Aufbruchs ist da, gegen die Zwänge des Althergebrachten. Es ist eine Zeit für neue Bewegungen und Ordnungen. Ein Kribbeln ist zu verspüren, das ein wenig an 1932 erinnert.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie zu den Leuten gehören, die die Fremdwörter verstehen konnten.


Philipp Heine

Freitag, 3. April 2015

1990 - als die DDR Deutschland übernahm; die wahre Geschichte - von Captain Slow

25 Jahre ist es nun schon her, dass die DDR Deutschland übernommen hat. Grund genug, die Entwicklung Deutschlands von 1945 bis zu seinem Ende 1990 Revue passieren zu lassen.

Nach dem 2. Weltkrieg entschied sich die Regierung Adenauer dafür, das verbliebene Deutschland in die Westbindung zu führen. Die roten Brüder im Osten, die sich von Deutschland abgespalten hatten, hielt man weitgehend auf Distanz. Sie waren mit sich selbst beschäftigt, indem sie die DDR gründeten, nach wie vor einer Einheitspartei hörig waren und immer noch vor Fahnen aufmarschierten. Alles tipptopp. Deutschland konnte sich dem Wirtschaftswunder hingeben, während die Komsomolzen jenseits der Zonengrenze dünne Kohlsuppe (Soljanka) löffelten und von Revolution träumten.

In den Folgejahren hatte sich die DDR jenseits der deutschen Grenze jedoch etabliert und fing nun an, Schritt für Schritt Deutschland über die noch offene Grenze zu infiltrieren. Ganze Horden von Missionaren des Roten Oktobers drangen über die Zonengrenze in das freie Deutschland ein, mit dem einzigen Ziel einer feindlichen Übernahme von innen. Das Ende schien gekommen.

Doch dann wendete sich das Schicksal zum Guten. Für nicht eingeweihte völlig überraschend wurde im Jahr 1961 auf Befehl des Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht die Mauer gebaut. Die Genossen mauerten sich von einem Tag auf den anderen selbst ein. Deutschland rieb sich ungläubig die Augen: der Rote Strom baut sich seine eigene Staumauer? Was war hier geschehen?

Erst im Jahr 1971 hat der deutsche Enthüllungsjournalist Wolfgang Menge im WDR die Wahrheit über den Mauerbau ans Licht gebracht: Walter Ulbricht war Spion der CIA und der Organisation Gehlen! Bereits in den 20er Jahren hatte man Ulbricht in Moskau in die KP eingeschleust. Nach dem Krieg wurde er als Anführer der „Gruppe Ulbricht“ nach Ost-Berlin gebracht und kletterte Schritt für Schritt an die Spitze der politischen Macht in der DDR. Man hatte einen Schläfer bei den roten Schergen installiert! Der wurde im Moment der höchsten Not aktiviert und schlug mit seinem genialen Schachzug gleich zwei Fliegen mit einer Klappe. Erstens war der Zustrom der Ostzonalen ausgetrocknet. Zweitens verschlang diese absurde Grenzanlage einen Großteil der in einer Planwirtschaft naturgemäß dünn gesäten Ressourcen. Beton, Stacheldraht, Minenfelder, Selbstschussanlagen über rund 1.000 Kilometer Grenze. „Der völlige Irrsinn“, dachte der Bürger der DDR und fuhr zum notorischen FKK-Urlaub fortan nur noch an den Plattensee. „Genial“, feixte die NATO zu Recht.

Diese brisante Enthüllung hätte den Demokraten und Menschenfreund Walter Ulbricht, dessen Verdienste in der deutschen Öffentlichkeit nie ausreichend gewürdigt wurden, das Leben kosten können. Zum Glück kam er jedoch heil aus der Nummer raus. Wenn die Russen ihn als Spion verhaftet und hingerichtet hätten, hätten sie dem Westen gegenüber das Gesicht verloren. Es gibt aber nichts, was der Asiate mehr fürchtet als einen Gesichtsverlust. Also ließ man ihn gewähren. Ebenso seinen politischen Ziehsohn: Erich Honecker.

Honecker war schon beim Mauerbau die rechte Hand Ulbrichts und übernahm dessen Rolle bald vollständig. Honecker war perfekt auf seine Aufgabe vorbereitet. Um die DDR weltweit lächerlich zu machen, hatte er sich über Jahre hinweg eine Sprache antrainiert, die auf ganz bemerkenswerte Weise dümmlich, wenn nicht debil war. Sein äußeres Erscheinungsbild veränderte Honecker schrittweise, bis aus dem smarten Saarländer ein Inbegriff für spießige Modesünden und Geschmacksverirrung wurde.

Und das Volk tat es seinem Führer gleich: als am 11. November 1989 die Kommunisten den Zweitaktfahrzeugen entstiegen, sprachen sie alle einen ins Absurde verbrämten Dialekt der deutschen Sprache und trugen Kleider und Frisuren, über die man sich selbst im Ruhrgebiet wunderte.

Aber ich greife vor. 1989/1990. Die Schicksalswende. Wie konnte das passieren? Nun, es war einfach naiv zu glauben, dass die Nummer mit Ulbricht und Honecker seitens der Russen unbeantwortet bleiben würde. Heute weiß man: alles, was im Westen gut funktioniert, wird der Asiate kopieren. Und so platzierten die Roten bereits in den 70ern einen Schläfer in Deutschland. Wer jetzt vorschnell an Günter Guillaume denkt, liegt völlig falsch. Es war in Wirklichkeit ein dicker linkischer Mann namens Helmut Kohl, von der Stasi geführt als IM Saumagen.

Unter dem plumpen Vorwand der Perestroika spielte der Kreml unter Michail Gorbatschow Helmut Kohl den Ball zu, der ihn annahm und sodann virtuos die Abwehrmauer der westlichen Diplomatie auskonterte. Allein Margaret Thatcher warf sich ihm noch im Strafraum mutig in den Weg. Aber Frauen und Fußball.... die brave Inselamazone konnte das Unheil aus Oggersheim nicht mehr stoppen.

Und heute, 25 Jahre später? Deutschland wird von einer sozialistischen Einheitspartei namens GroKo regiert. Regierungschefin ist eine schlecht gekleidete Frau aus der Uckermark. Staatsoberhaupt ist ein Pastor aus Mecklenburg. Wir finanzieren einen sozialistischen Bruderstaat in der Ägäis und führen einen Mindestlohn ein. Aber niemand wehrt sich mehr. Das marktwirtschaftliche und kritische Deutschland ist tot.

Allein ein kleiner Mann mit großer Klappe und ebensolchem Engagement kämpft noch immer furchtlos und unermüdlich gegen die Windmühlen: Gregor Gysi. Ein echter Revolutionär gibt den Kampf eben selbst dann nicht auf, wenn die eigenen Truppen längst gewonnen haben. Erbarme sich jemand seiner Seele und schenke ihm ein Hamsterrad.

Captain Slow




Montag, 12. Januar 2015

Pegida gab es schon vor 30 Jahren an der Hildesheimer Börde

Pegida gab es schon vor 30 Jahren an der Hildesheimer Börde - von Captain Slow

Seit ein paar Monaten rennt hier und dort, meist drüben, ein kleiner Haufen Spinner auf die Straßen, nennt sich Pegida und verkündet eine Menge dumpfen Unsinn. Das Echo in den Medien ist gewaltig, weil da ein ganz neues Phänomen geboren wurde. Und nun diskutiert Anne Will im Wettkampf mit Jauch, Plasberg usw. darüber, wie man dieser ganz neuen Bewegung wohl begegnen muss.

Das ist also alles neu? Zwischen Erzgebirge und Magdeburger Börde liegt also nicht Deutschlands Hochburg des Multi-Kulti? Wieder was gelernt. Das kann doch nicht ernsthaft jemanden überrascht haben! Neu ist doch nur, dass diese Hohlbirnen jetzt auf die Straße gehen und Plakate in den Winterregen halten. Sollen sie doch. Ich wünsche viel Spaß und eine saftige Erkältung.

Das einzige Phänomen, das ich sehen kann, ist jenes, dass die Medien hierzulande alles, was sich erstmals als „politische Bewegung“ in die Öffentlichkeit drängt, plötzlich als Sensation verkaufen und so getan wird, als sei das alles ganz neu. Alle engagierten Bürger müssen nun aufgeregt Stellung beziehen. Dabei ist das ganze Spiel Jahrzehnte alt und eigentlich nur albern. Gehen wir doch einmal gemeinsam zurück in der Geschichte.

Die Piraten.
Es ist noch nicht lange her, da ging wieder einmal ein Sturm durch die Medienlandschaft. Mit den Piraten gab es eine „neue politische Kraft“. Donnerwetter. Haben die mal irgendwo mitregiert? Haben die digitalen Fredis irgendwas zu melden? Nein, haben sie nicht. Also was sollte das Theater? Und es war ein Theater. Rauf und runter wurde dieser Hype diskutiert. Wer sind die? Woher kommen die? Entschuldigung. Es gibt in unserer Gesellschaft junge Menschen, vorwiegend männlich, die scheiße aussehen, sich scheiße anziehen, sich selten waschen und keinerlei soziale Kompetenzen vorweisen können. Deshalb haben sie keine Freunde und vor allem keinen Sex.

Das ist nicht neu! Heute heißen die Nerds und es gibt Fernsehserien über ihr Leben. Bevor es das Internet gab, hatten sie keinen eigenen Lebensraum, hießen in der Schule Asis und wurden in die Mülltonne gesteckt. Die 80er. Eine liebe Zeit.

Heute sitzen die Nerds in ihren Studentenbuden bis morgens um 4 vor dem Linux-PC und denken sich mit gleichgesinnten Opfern der Gesellschaft im Internet Verschwörungstheorien aus. Auf dem Mond war noch nie jemand, die Freimaurer haben die US-Regierung schon vor Jahrhunderten unterwandert und die Deutsche Bahn wirft Leichen auf die Schienen, um ihre Verspätungen zu rechtfertigen. Es war doch aber klar, dass sich irgendwann mal ein paar von den blassen Teiggesichtern zusammenschließen, für ihre weltfremden Ideen eine Partei gründen und ein paar notorische Protestwähler auf ihre Seite ziehen würden. Für exakt ein Jahr. Danach kehrten sie in die Studentenwohnheime der naturwissenschaftlichen Fakultäten zurück und spielten abends wieder „Die Siedler von Catan“. Ende der Episode.

Die Linke.
1990. Das Vaterland im Rausch der Freude. Wir hatten schließlich gerade die Ostzonalen vom Joch des Sozialismus befreit. Und kurze Zeit später tauchte die PDS auf. An der Spitze ein kleines linkisches Männchen mit absurder Nickelbrille. Und irgendwie sahen auch in dieser Partei alle scheiße aus und zogen sich scheiße an. Diese Damen und Herren propagierten aber wacker, dass in der Ostzone nicht alles schlecht gewesen sei und überhaupt wollten sie die gute alte Dame DDR zurück. Unter Hitler war angeblich auch nicht alles schlecht, wurde mir in meinem Zivildienst aus der passenden Generation oft versichert. Erstaunlich, wie Regime ihre Insassen oft gleich prägen.

Aber es gab keinen medialen Aufschrei. Die Sache war einfach nicht neu. Die PDS war die SED mit neuem Namen und gab altverdienten Stasileuten ein Zuhause. Das nannte man den Sozialismus mit menschlichem Antlitz. Dass unter den Ostzonalen noch einige linke Quertreiber vegetieren, haben wir im Westen damals doch alle geahnt. Thema SED: eben beim Schreiben fällt mir auf: waren die nicht alle häßlich und scheiße angezogen?

Der Aufschrei kam jedenfalls erst, als sich verwirrte Wessis den Stasileuten anschlossen und manchmal auch im Westen ein paar Wählerstimmen bekamen. Die neue politische Kraft, die mit Populismus auf Dummenfang geht, war geboren. Hallo? Das ist nicht neu! Ich komme aus einem Dorf im südlichen Niedersachsen. Die linke Kraft mit den einfachen Rezepten für Doofe hieß in meiner Jugend SPD-Ortsverein! Nach Gerhard Schröder wurden diese Leute geistig obdachlos und in der Stasiherberge waren Zimmer frei. Also, was hätten Sie denn getan? Sind doch alles nur Menschen!

Die Grünen.
Anfang der 80er gab es auch schon ein Erdbeben in der politischen Landschaft. Ein paar Wirrköpfe, die – Sie ahnen es sicher – scheiße aussahen und scheiße, diesmal wirklich richtig scheiße, angezogen waren, traten auf die politische Bühne. Meist hatten sie es mit Gutmensch-Themen wie Umweltschutz und Weltfrieden, allgemeinverbindlich für alle. Da konnte man ihnen nicht recht böse sein.

Nervtötend war nur, dass sie sich stetig Dinge ausdachten, gegen die sie dann leidenschaftlich zu Felde zogen. Konsumterror. Waldsterben. Es gab nie ein Waldsterben! Aber das machte diese Menschen irgendwie aus. Sie hatten keine Sorgen, also dachten sie sich welche aus. Auch das ist menschlich.

In den goldenen 70ern haben sie in den Nachwehen der 68er Proteste ihr Studium stressfrei und kiffend in alternativen Diskussionskreisen hinter sich gebracht und dabei über alternative Lebensentwürfe diskutiert, die man nur diskutieren oder leben kann, wenn das Geld dazu ebenso stressfrei von Dritter Seite kommt. Und so war es ja. Danach rutschten diese Leute wiederum stressfrei in den öffentlichen Dienst oder gleich die lebenslange Verbeamtung als Lehrer. Dort konnten sie den ganzen Vormittag Kindern klarmachen, dass sie alles besser wissen und hatten nach der Mittagspause sehr sehr viel Zeit. Und sehr sehr wenig Sorgen.

Das wurde natürlich schnell langweilig. Da musste man sich auf andere Weise die Zeit vertreiben. Beispielsweise erlaubten sich die Lehrer unter ihnen schlimme Scherze mit Schülern, etwa indem sie den heranwachsenden Jungs stetig eintrichterten, dass Frauen möglichst sensible und verständnisvolle Männer bevorzugen, die auch möglichst oft zu ihren Tränen stehen. Das führte zu einer Generation von Jungs, die bis Mitte 20 immer sehr viele beste Freundinnen und sehr wenige richtige Freundinnen hatte.

Aber auch das wurde natürlich irgendwann langweilig und deshalb musste der große Wurf her. Die Grünen gründeten sich. Und da war was los im Fernsehen. Aber das war auch nicht neu! Die Leute kannten wir doch alle. Vormittags von Behördengängen und aus der Schule. Nachmittags aus Bibelkreisen, Bürgerinitiativen und ihrem zweiten Zuhause: der Volkshochschule, wo sie Kurse besuchten wie: Tanzen für den Weltfrieden oder esoterisches Makramee.

Pegida.
Pegida gab es schon in meiner Jugend, hieß damals aber natürlich nicht „Pegida“. Die Sache hatte eigentlich keinen Namen. Sie war vielmehr: „Dorfbevölkerung-im-südlichen-Niedersachsen-aber-nur-die-echten-und-nicht-die-zugezogenen-aus-der-Stadt“. Menschen wie Du und ich.

Ich habe sie viel gesehen in meiner Jugend und ich lieh Ihnen mein Ohr. Meist saßen sie wohl in Dorfkneipen; da durfte ich jedoch altersbedingt noch nicht rein. Eine gute Chance hatte man aber z.B. im Rahmen von Fußballturnieren. Zu diesen Anlässen versammelte sich die hiesige Dorfbevölkerung gern im Clubhaus, rauchte eine HB-Zigarette nach der anderen und dann ging's los.

Da wurde zunächst die politische Weltlage im Allgemeinen und sodann die innenpolitische Lage im Besonderen beleuchtet. Meist wenig differenziert, dafür laut und plakativ. Dazu flossen Bier und Korn in Mengen. Versteht sich. Es ging dann um „Neger“ und „Kanaken“. Es ging um „Hippies“ und „Punker“ (bitte hier unbedingt deutsch aussprechen. Also nicht nur falsch „Punker“ statt „Punks“, sondern bitte zusätzlich mit gesprochenem „u“). Aufgrund der meist protestantischen Konfessionsmehrheit im Harzvorland kriegten auch noch die „Katholen“ ihr Fett weg und Muslime hießen „Mohamedaner“; die kriegten erst recht ihr Fett weg, obwohl keiner einen kannte. Außer vielleicht den Ali aus der Firma. Der war aber immer nett. Und irgendwie ja auch ein Mensch. Soviel Fairness gab es dann doch.

Also: Nicht so ein Theater um die Hohlbirnen veranstalten. Die sind nicht neu. Sie haben nichts zu melden. Sie sehen scheiße aus und sind scheiße angezogen!

Captain Slow

Dienstag, 10. Juni 2014

Im Netz der Verschwörungen

Im Netz der Verschwörungen – Von Philipp Heine


In einer normalen Familie, in einer normalen Stadt lebte einst ein normaler Junge. Er hieß Kjell-Kevin und hatte erfolgreich sein Abitur abgeschlossen. In der Schule hatte er gelernt, dass es Binomische Formeln gibt, mit denen man irgendetwas berechnen kann, ebenfalls dass Mitose und Meiose etwas mit Sex zu tun haben. Es war auch von einem Shakesbeer die Rede. Außerdem hatte er sich eingeprägt, dass Ramses, Nero und Hitler die Vorgänger von Angela Merkel waren. In den Pausen hatte er sich mit Hilfe von Smartphone und Facebook auch Lesen und Schreiben beigebracht. Nun war seine Zeit gekommen: Die Welt lag ihm zu Füßen und wartete nur auf all die Neuerungen, die er ihr bescheren würde. Er entschloss sich also, an der Universität Meppen Sozial- und Ökoesoterik zu studieren.

Auch wenn er mit all diesen Fremdwörtern, die nun auf ihn einregneten, nicht viel anfangen konnte, so begriff er doch bald, dass in dieser Welt geheimnisvolle Mächte am Werke waren und dass nicht alles so ist, wie es auf den ersten Blick erscheint. Bereits seine Eltern, von denen es heißt, dass sie damals mit Blumen im langen Haar und nackt gegen das Establishment kämpften, hatten gesagt, dass das Wichtigste sei, alles zu hinterfragen.

Kjell-Kevin hatte immer Zweifel am Sinn antiker Medien, wie etwa von Büchern oder Zeitungen, gehabt. Nun stellte er zu seiner Beruhigung fest, dass diese nur dazu dienen, die einfachen Bürger zu indoktrinieren und mit falschen Informationen gefügig zu halten. Schemenhaft begann ein Bild von der finsteren Realität und zugleich von seiner Mission zu entstehen.

Da er nur von durchschnittlicher Erscheinung und Intelligenz war, musste Kjell-Kevin erkennen, dass sein einziger Weg zum weiblichen Schoße auf Glauben, Charisma und öffentlich vorgetragener Überzeugung beruhte. Er war berufen, den Kampf gegen das Böse aufzunehmen und Lara-Chantall aus dem Seminar über maoistisches Häkeln tief zu beeindrucken.

Nach und nach lichtete sich der Schleier, und mit Entsetzen verstand er das Ausmaß all der Verschwörungen, die die Welt wie ein Spinnennetz umschlossen. In Amerika hatten sich, verborgen in einem finsteren Gewölbe der Yale-University, Politiker, kapitalistische Wirtschaftsbosse, Freimaurer, Illuminaten, Juden und Faschisten zusammengerottet, um – begleitet von schrillem Lachen – ihr Geld und ihre Macht durch den Handel mit Öl, Waffen und Plutonium zu mehren.

Sie gaukelten der Welt vor, dass man auf dem Mond gelandet sei, dass der 11. September von Islamisten und nicht von Beauftragten der Regierung ausgelöst wurde und dass die Russen die Eroberung der Ukraine geplant hätten. Sie gingen sogar soweit zu behaupten, dass es niemals Kontakt zu Außerirdischen gegeben hätte.

Natürlich dementierten und widerlegten Wissenschaftler und Politiker alle Vorwürfe. Dies war aber nur der Beweis dafür, dass auch Presse und Wissenschaft zu dem perfiden Netzwerk der geheimen Oberen gehörten. Kjell-Kevin stand einsam einem unermesslichen Gegner gegenüber. Er traf nur auf eine kleine Schar von Mitstreitern, die er etwa in Freikirchen und auf Kundgebungen der Piraten getroffen hatte. Auch sie hatten klare Beweise für das dunkle Imperium im Internet gefunden. Mittlerweile war es ihm auch gelungen, Lara-Chantall zu zeigen, wo sich bei ihm Mitose und Meiose abspielten. Es wurden konspirative Treffen abgehalten, auf denen man in Online-Rollenspielen den Ernstfall probte. Die Wände wurden mit Aluminiumfolie und Eierkartons gegen das Ausspähen durch die Geheimdienste abgeschirmt und die Rechner verschlüsselt. Langsam wuchs die Gruppe der Gefährten.

Es war logisch und folgerichtig, dass diejenigen, die in den infiltrierten Medien als Bedrohung dargestellt werden, potentielle Hoffnungsträger und Verbündete sein konnten. Natürlich wurden in Moskau, Pjöngjang und Islamabad auch Fehler gemacht, doch immerhin sagten die dortigen Potentaten ehrlich und offen ihre Meinung und isolierten sich von den Verschwörern des Westens. Sie bewiesen auch, dass sie gegenüber dem alten und korrupten System hinter seiner Fassade von Demokratie und Menschenliebe durch ihre uneingeschränkte Macht und Führungsstärke  überlegen waren.

Kjell-Kevin war begeistert: Mit Frisuren, Piercings, lauter Musik oder hässlichen Klamotten war es ihm nicht gelungen, seine Eltern oder irgendwelche anderen Menschen zu schockieren oder zum Überdenken der althergebrachten Werte zu bewegen. Das Schwenken der Flagge von Nordkorea funktionierte. Er hatte den Spagat zwischen Revolution und moralischem Handeln geschafft. Er war zum Eremiten-Krieger geworden und hatte das Licht gesehen. Hinter einer Anonymous-Maske verborgen demonstrierte er auf Kundgebungen und  betätigte sich als Pfadfinder und Prediger im Dschungel des Internets. Ein wahrer Held, der es verdient hat, auf das Zölibat zu verzichten.

Wenn man heute vorsichtig und ganz leise in Internetforen blickt und lauscht, dann können wir Kjell-Kevin dort finden, auch wenn er sich vielleicht fackUnsa69 nennt.


Ich wünsche uns allen, dass es Kjell-Kevin nicht gelingt, eine scharfe Waffe in die Hände zu bekommen.



Philipp Heine

Sonntag, 18. Mai 2014

Ökumene der Geschmacklosigkeit

Ökumene der Geschmacklosigkeit - Von Philipp Heine

Ich möchte mich an dieser Stelle nicht auf eine Diskussion über inhaltliche Wahrheit und Sinn der christlichen Religion, oder über Vorzüge und Nachteile einzelner Konfessionen einlassen. Was mich aber seit vielen Jahren zutiefst verwirrt, ist die Ästhetik, mit der sich die moderne Kirche, egal ob katholisch oder evangelisch, der erstaunten und teilweise belustigten Öffentlichkeit präsentiert.

Gelegentlich kam es in meinem Leben vor, dass ich ein Gemeindehaus, ein Kolpinghaus, eine seit den 70er Jahren entstandene Kirche oder die Wohnung einer Theologiestudentin betreten habe. Stets bietet sich mir ein verblüffend ähnlicher Anblick: Beton und Backstein treffen auf Kiefernholzmöbel und den Duft von Kamillentee. Ein obligatorischer und in allen erdenklichen Formen präsenter Bestandteil der Dekoration ist der Regenbogen, der zwar die Versöhnung von Gott und Mensch symbolisiert, aber bei Überdosierung durchaus albern wirken kann. Er schmückt das Gros all jener Gesangs- und Kindergottesdienstvorbereitungsbücher, die sich in den Regalen neben Bastelbüchern, Bibelkommentaren und landeskirchlichen Warnschriften gegen die Wollust und Abwegigkeit der heutigen Welt stapeln. Der Regenbogen ist auch auf dem von afrikanischen Kindern gemalten Bild zu finden, das natürlich nicht als Trophäe für die erfolgreiche humanitäre Mission im Land der Wilden fehlen darf.

Zwei deutsche Künstler des 20. Jahrhunderts haben nachhaltigen Einfluss auf weitere Schmuckstücke christlicher Inneneinrichtung genommen: Käthe Kollwitz und Ernst Barlach. Unzählige Kreuze und Figürchen aus Holz oder Bronze, Holzschnitte oder Radierungen laden dazu ein, die Seele mit frommen Mitleid und gläubig-pazifistischem Sendungsbedürfnis anzufüllen. Das eskalierende Leid kriegstraumatisierter Kindergesichter und die aufopfernde Pein Jesu treffen auf den Trost leise weinender Engelchen. Ich vermute, dass es den Kirchen und ihren Schäfchen zu verdanken ist, dass in unseren Tagen überhaupt noch Bronze produziert wird.

Der ultimative Kultgegenstand moderner christlicher Ethik und nahezu ekstatischer Hingabe ist das Taizé-Kreuz. Aus einer kleinen französischen Gemeinde stammend, steht es für konfessionsübergreifende und gemeinschaftliche Frömmigkeit. Gelbe, Schwarze, Rote, Weiße glauben Hand in Hand die gleiche Sache.

Mit großer Akribie wird beachtet, dass fromme Biotope lediglich mit Naturprodukten ausstaffiert werden. Die einzigen Produkte, die nicht aus natürlichen Fasern und abbaubarem Material bestehen, sind der Fahrradhelm und die wasserdichte Satteltasche.

Während meines Studiums gehörte es zu den verbreiteten Gemeinschaftsspielen, in der Mensa den Studiengang diverser Studentinnen und Studenten anhand ihrer äußeren Erscheinung zu bestimmen. Juristen und angehende Religionslehrerinnen zählten zu den mit Abstand leichtesten Fällen. Letztere zeigten sich mit großer Zuverlässigkeit mit folgenden Attributen: Dunkelblaue Strumpfhosen, die es mehr oder weniger schafften, den Blick auf die unrasierten Beine zu kaschieren, selbstgehäkelte Ringelsöckchen, Faltenröcke, Blusen, kleine Lederrucksäcke mit obligatorischer Diddl-Maus, ovale Brillen mit Metallrand, Zahnklammern, selbstgebastelte Freundschaftsbänder  und – wenn es galt, eine gewisse Verwegenheit zu demonstrieren – ein Palästinensertuch. Grundsätzlich zeigten die Mädchen – nur selten gab es männliche Vertreter dieser Gattung, die sich aber äußerlich nur gering von den weiblichen unterschieden – eine ablehnende Haltung jeglicher Form von Kosmetikprodukten gegenüber, weshalb man stets der ungeschminkten und unrasierten Realität göttlicher Schöpfung ausgesetzt war. Regelmäßig trugen die Theologinnen ein Instrumentenköfferchen mit sich, das eine Trompete enthielt. Während die geschlechtliche Vermehrung des Normalbürgers nämlich auf Disko- oder Kneipenbesuchen basiert, so sind es bei den keuschen Menschen, die sich in Nachfolge Jesu Christi befinden, gern der Posaunenchor der Gemeinde, der Kirchentag oder das Jugendcamp, die die Größe der zukünftigen Herde des guten Hirten garantieren.

Zu der Merkwürdigkeit der Bekleidung kam der spezifische Habitus, der männliche und weibliche Theologen auszeichnete. Unabhängig von der Gelegenheit zeigten sie fast immer ein dienstbares und hilfsbereites Lächeln auf den Lippen, welches nicht unbedingt auf Humor oder wilde Lebensfreude zurückzuführen war. Es war ein Lächeln, das zeigte, dass man Teil eines geschlossenen Systems göttlicher Liebe und Wahrheit war, das unerschütterlich von den Einflüssen der garstigen Fleischlichkeit existiert.

Manchmal kommt es vor, dass eine Schar junger Menschen ohne Vorwarnung plötzlich eine Gitarre hervorholt und beginnt, mit glockenheller Stimme einen hebräischen oder afrikanischen Kanon zu trällern. In diesem Moment kann davon ausgegangen werden, dass moderne Jünger der Dreifaltigkeit so verzückt sind, wie es ihnen ihre Moralvorstellung erlaubt.

Ich habe festgestellt, dass Theologinnen zu den nettesten und freundlichsten Personen gehören, die mir jemals begegnet sind. Dennoch frage ich mich, ob mich die moderne christliche Ästhetik und ihre Repräsentanten zu dem Gedanken motivieren würden, mich ihnen anzuschließen, wenn ich das gleiche christliche Bekenntnis hätte. Ich fürchte, dass die Antwort ein klares Nein ist. Leere Kirchen lassen mich zudem denken, dass ich mit dieser Meinung nicht allein bin.

Ich wünsche den Kirchen, dass es ihnen gelingt, sich der normalen und realen Welt schrittweise zu öffnen. Sehr gern erfreue ich mich aber auch weiterhin an der bunten und seltsam grinsenden Exzentrik der frömmelnden Blaustrümpfe.

Philipp Heine

Donnerstag, 15. Mai 2014

Wie das Sammeln die Balz verdrängte

Wie das Sammeln die Balz verdrängte - Von Philipp Heine

Wie der possierliche Paradiesvogel mit seinen bunten Federn und lustigen Tänzen, so warben auch die Menschen einstmals um die Gunst potentieller Partner: Der Mann stählte seinen Körper, benetzte ihn mit Moschusdüften und schmückte sich mit Attributen, die von Macht, Vitalität und Wohlstand kündeten. Die Frau ihrerseits legte süße Düfte auf, gewandete sich mit schönen Kleidern, die einen Hauch von wohldosierter Erotik durchscheinen ließen und übte sich in der Verbreitung reizender Weiblichkeit. Bei geselligen Veranstaltungen trafen die Werbenden aufeinander und erprobten gegenseitig ihre Gewandtheit im Umgang mit Geist und Körper. War man sich einig, so übernahmen körperinterne Schmetterlinge das Ruder und das Leben in Zweisamkeit nahm seinen Lauf.

Schaut man sich heute um, so denkt man auf den ersten Blick, dass alles seiner üblichen Wege geht und nur äußere modische Feinheiten sich gewandelt haben. Doch auf den zweiten Blick sind merkwürdige Abwege erkennbar. Zwar bemühen sich beide Geschlechter um Attraktivität, doch scheint dies mehr und mehr aus Gründen der Selbstverwirklichung zu geschehen, als um dem anderen Geschlecht zu gefallen. Mit der durchaus berechtigten Erkenntnis der Damen, dass ihre traditionelle Rolle sie benachteiligt und in der Freiheit beschränkt, geht eine neue, tendenziell negative Sicht auf den Mann einher, die dramatische Auswirkungen auf das Werbeverhalten des homo sapiens sapiens nach sich zieht: Die einst erfolgreiche Zurschaustellung von pulsierender Männlichkeit wird heute mit einem Naserümpfen und demonstrativ leerem Blick quittiert. Männer, die ihre körperliche Fitness zeigen, Autos fahren, die tatsächlich sportlich und schön sind, und auf betont aufreizende Kleidung Wert legen, tragen das Stigma des Proleten oder Schnösels. Frauen, die den alten Techniken die Treue halten, müssen mit dem Ruf einer unemanzipierten Schlampe leben.

In Schach gehalten von medialer Beeinflussung und gesellschaftlicher Konvention bemühen sich die modernen Westeuropäer, ihre smarte politische Korrektheit zu untermalen, indem sie sich modische Neuheiten gefallen lassen, die genau das betonen, was in den letzten Jahrtausenden Inbegriff des Unschönen war: Die Vertreterinnen der Weiblichkeit tragen mitunter Kleider, die ihre enge Verwandtschaft zum Jutebeutel deutlich erkennen lassen, färben sich die Haare rot, was bis vor kurzer Zeit eindeutiges Anzeichen für Hexerei oder Chromosomenmutation war, und tätowieren sich wie neuzeitliche Seebären. Die Herren der Schöpfung tragen paläolithische Bartmoden, Nerdbrillen und fahren Fahrrad oder  Renault Clio (was eindeutig die schlechtere Wahl ist).

Trotz der Abkehr von der Absicht, dem anderen Geschlecht gefallen zu wollen, ist die Lust am Mode-Shoppen erstaunlicherweise ungebrochen. Mit geradezu erotischer Wollust strömen die Vertreter aller Geschlechter in die Modehäuser oder  lassen den Onlinehandel erblühen. Doch wem will man gefallen?

Die Werbung gibt uns Aufschluss: Seit Jahren wird die moderne Frau gebetsmühlenartig aufgefordert, so zu sein, wie sie ist, an sich zu denken und sich selbst zu verwirklichen. Seifenopern stellen der zeitgemäßen Dame ein obligatorisches Kränzchen von Freundinnen an die Seite, das sie berät, unterstützt, mit ihr konkurriert, streitet und sich am Ende wieder verträgt. Der Spiegel und das Kränzchen sind das Publikum der immerwährenden Modeschau. In abgemilderter Form spielt sich ähnliches auch bei den modernen Herren ab.

Eine Folge dieses kränzchenorientierten Konsums ist das Entstehen von Sammlungen. Kleiderschränke, die zunehmend begehbar sind, füllen sich mit genau einmal getragenen Kuriositäten, die sowohl teuer als auch -  in den meisten Fällen -  für das andere Geschlecht unfassbar hässlich sind. Diese Sammlungen, deren Wert nicht an der Werbewirksamkeit, sondern am Vorhandensein spezifischer Marken bemessen wird, entwickeln einen stetig zunehmenden Selbstzweck. Während Madame Handtaschen und Schuhe hortet, umgibt sich Monsieur mit Uhren, Hemden und Mangel an Selbstbewusstsein.

Resultat dieser Entwicklung ist die stetig wachsende Unfähigkeit, Beziehungen erfolgreich zu beginnen und dauerhaft am Leben zu erhalten. Trennungsraten und der wachsende Zulauf bei Dating-Seiten im Internet sprechen eine klare Sprache.

Doch es besteht Hoffnung: Der Irrsinn ist nicht genetisch. Der Wille zum Beeindrucken des anderen Geschlechts ist nur kulturell verdrängt und schlummert dicht unter der Oberfläche. Den Beweis für diese These treten all jene Machos an, die dank Ignoranz oder unbändigem Ego das Proletenimage auf sich nehmen und mit verblüffendem Erfolg Damen aller Art in Begattungsstarre versetzen.

Ich wünsche uns allen, dass das Bekenntnis zur wahren Schönheit wieder salonfähig wird, so dass es nicht mehr immer die Idioten sind, die die hübschesten Mädels im Sportwagen zum Ort des Geschehens chauffieren.


Philipp Heine

Sonntag, 27. April 2014

Von Solidarität, Nachsicht und Heroen

Von Solidarität, Nachsicht und Heroen - Von Philipp Heine


Einst waren mit der Lenkung eines Staates noch Glanz und Ruhm verbunden. Marmorne Statuen, Triumphbögen und Paläste sind die ewigen Zeugen dieser großen Zeiten und Menschen. Doch die Welt von heute ist sachlich und undankbar geworden. Außer Anzug, Krawatte und einer Sprechstunde im Bürgerbüro gibt es nichts, was auf die Verantwortung, auf die Mühen und auf das Leid eines modernen Volksvertreters hinweist. Schwer ist es geworden, Zeitloses und Geniales zu hinterlassen, das die Geschichtsbücher von morgen füllt. Steht man vor dem Kolosseum oder dem Tempel von Karnak, dann erkennt man, wie klein wir doch geworden sind. Doch es gibt noch Heroen, die es auf sich nehmen, der Nachwelt den Beweis unseres Könnens zu erbringen und zugleich Nützliches zu errichten. Nur mit List ist es ihnen möglich, die ewigen Neinsager zum Einlenken zu bringen: Indem man Kostenvoranschläge minimiert und an das Selbstwertgefühl des Bürgers appelliert, können auch heute Weltwunder geschaffen werden. Man denke an den unterirdischen Bahnhof von Stuttgart oder den leisesten Flughafen der Welt in Berlin oder die schwimmende Philharmonie in Hamburg. Natürlich muss man, wenn man Teil der architektonischen Weltgeschichte sein will, auch verzichten können. Schlaglöcher, Staus und bröckelige Schulen sind jedoch nur ein kleiner Preis, um in der Liga von Nero oder Ramses II. mitspielen zu können. Doch Weitsicht und Ratschluss der Parlamentarier sind groß:

Selbst das kleinste Schlagloch raubt ihnen den nächtlichen Schlaf. So ist es nur folgerichtig, den Bürger, der für sein Erspartes sowieso keine Zinsen bekommt und der sich selbst dann einen Flachbildfernseher und Pay-TV leisten kann, wenn er Hartz IV bezieht, um seine mehr als gerechtfertigte Solidarität zu ersuchen. Oder wollen die Menschen gar den Beweis antreten, dass sie unsolidarisch, egoistisch und nicht am Erblühen unserer Nation interessiert sind?

Sind die Menschen so kleinlich und verbohrt, dass sie unabhängige Prüfungskommissionen fordern, die Großprojekte auf technische und finanzielle Machbarkeit prüfen, bevor sie verabschiedet werden? Ist es nicht auch für sie einleuchtend, ja alternativlos, die unglaubliche Kompetenz, Willensstärke und Verantwortung der Politiker anzuerkennen und mit einem angemessenen Salär zu honorieren, das bis vor Kurzem noch einer Beleidigung glich?

Der Pöbel ist immer undankbar, egal, ob er mehr oder weniger Steuern an den Fiskus zu entrichten hat. Die Kinder und Kindeskinder werden die Leistungen der Altvorderen umso mehr zu schätzen wissen, wenn sie mit großen Augen und offenen Mündern durch Stuttgart 21 schreiten und staunend fragen „Papa, das hast alles Du gemacht?“.

Wie soll man der Welt zeigen, dass Marktwirtschaft, Demokratie und Aufklärung sich nicht nur lohnen, sondern sogar überlegen sind, wenn die Diktatoren und Unterdrücker in Burgen und Palästen residieren, und sich der deutsche Volksvertreter morgens im Fiat 500 zu seinem Kleinbüro in einem muffigen Altbau aufmachen muss?

Natürlich kann es vorkommen, dass, wo gehobelt wird, auch Späne fallen. Nicht jedes Großprojekt entsteht reibungslos. Doch auch Rom wurde nicht an einem Tag erbaut. Wie viele Milliardenprojekte entstehen tagtäglich, ohne es in die Schlagzeilen zu schaffen. Natürlich werden auch Fehler gemacht. Auch ein großer Mensch ist letztendlich nur ein Mensch. Wenn man Neues und Innovatives schaffen will, sind Fehler vorprogrammiert. Man braucht Fehler geradezu, um aus ihnen zu lernen. Um ein aufgeklärter, solidarischer und humanistischer Mensch zu sein, bedarf es auch der Tugend der Nachsicht und der Verzeihung.


Jeder vernünftige Mensch muss auch erkennen, dass durch staatliche Bauprojekte nachhaltige Arbeitsplätze geschaffen werden: Über Jahre werden deutsche Ingenieure, internationale Leiharbeiter und Subunternehmer und zahllose Mitarbeiter von TÜV und Mängelbeseitigungsfirmen in Lohn und Brot gehalten.

Mein abschließender Appell lautet also: Seien Sie den Vertretern der politischen Klasse gegenüber solidarisch und gehen Sie mit ihnen so mitfühlend und nachsichtig um, wie das Finanzamt mit Ihnen!

Ich wünsche Ihnen, dass Sie erkennen, Teil einer großen

Geschichte zu sein!


Philipp Heine

Freitag, 25. April 2014

Burgen, Bierflaschen und Blasmusik



Burgen, Bierflaschen und Blasmusik - Von Philipp Heine

Seit der Mensch seine Erlebnisse und Bräuche aufzeichnet, hat es Bevölkerungsgruppen gegeben, die es vorgezogen hätten, in der Vergangenheit zu leben. Im alten Rom gab man sich gern ägyptisch und ließ sich in die Mysterien der Isis einweihen. In der Renaissance wollte man wie die Römer sein. Die Christen strebten teilweise danach, wieder in den Zustand des alten Israel zu gelangen. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts lösen sich in schneller Folge die Moden ab, die die Flucht in eine jeweils andere historische Epoche bevorzugen. Stilbrüche zugunsten des zeitgenössischen Geschmacks und der Bequemlichkeit wurden dabei selten als störend wahrgenommen. Dieser menschliche Spleen ist nicht verwunderlich. Die Vergangenheit hat zu allen Zeiten eine Faszination ausgelöst, da sie geheimnisvoll, gefährlich, wollüstig und glamourös erscheint. Damals waren Dinge möglich, die im tristen Alltag von heute unmöglich sind. Besonders während und nach Kriegen lud die Historie zum mehr oder weniger gebildeten Eskapismus ein. Das Mittelalter ist wohl das Zeitalter, das seit langer Zeit die meisten Menschen der Moderne in seinen Bann zieht. Seit dem Bau von Neuschwanstein und der um Jahrhunderte verzögerten Fertigstellung des Doms zu Köln gab es unzählige Variationen dieses Themas. Ich möchte mich im Folgenden einiger Juwelen der heutigen Vergangenheitsverehrung annehmen.

Der Auslöser zu dieser Fragestellung ist zugleich die Keimzelle einer Vielzahl guter Ideen und Innovationen: Die Bierflasche. Wie oft saß man vom Gerstensaft angeregt und in fröhlicher Runde da und blickte mit fast liebevollem Auge auf den treuen Begleiter aus Glas. Und nach kurzem Sinnieren fragte man sich, welcher Spießer im Delirium dieses Etikett entworfen haben könnte. Mit nur extrem seltenen Ausnahmen finden sich auf den Behältern des flüssigen Brotes die gleichen Dekorationen: Wappen, Gildeabzeichen, altdeutsche Schrift, Landsknechte und natürlich fröhlich übergewichtige Mönche. Dennoch ist es unmöglich sich vorzustellen, dass Ritter Kunibert oder Bruder Anselm mit einer Kiste Warsteiner ins Refektorium traten, um die Zeit zwischen Komplet und Prim mit Frohsinn zu überbrücken. Viel eher passt die Bierflasche zum Interieur gutbürgerlicher Gaststuben. Hier finden sich mannigfaltige Reliquien des besäuselten Historismus: Humpen aus blau-weißem Steingut, Zinnteller, Holzbalken, Butzenglasfenster und zinnenbekrönte Lampen im Kupferton. Gelegentlich hängt auch an der Wand ein hölzernes Schild mit einem frivolen Sinnspruch Martin Luthers, um den traditionsbewussten Alkoholiker geistreich zu belustigen. Schon die Namen solcher Kneipen geben oft Aufschluss über das Bekenntnis zum Zeitalter vor der Aufklärung: „Bergklause“, „Klosterkeller“ oder „Zorbas zur altdeutschen Eiche“. Meist wird das Altertümliche durch einen geschickt eingesetzten Kontrapunkt unterstrichen, wie etwa einen laut dudelnden und blinkenden Spielautomaten oder Wimpel der Altherrenmannschaft des örtlichen Fußballvereins. Gern wird auch die mittelalterliche mit der volkstümlichen Tradition vermischt. Besonders das bayrische Kulturgut findet sich auf vielen Speisekarten, in der Bekleidung der Bedienungen und in Form der Hintergrundmusik.

Diese Entdeckung führt mich direkt zu der Erkenntnis, dass durch die Gruppe der heutigen Traditionsjünger in Deutschland ein tiefer Bruch geht, der zum guten Teil ein Generationenkonflikt ist. Auf der einen Seite gibt es jene, die die Zielgruppe besagter Gaststuben sind. Sie schätzen den heimatlich-vaterländischen Aspekt der alten Tradition, sind konservativ, zählen Blasmusik im Marschrhythmus und Volkslieder, die von sogenannten Musikanten dargeboten werden, zu den unverzichtbaren Elementen ordentlicher Gemütlichkeit und suchen nach Zuflucht vor multikultureller und digitaler Bedrohung. Auf der anderen Seite lebt eine Schar von Jugendlichen, der es nach einer Alternative zum geordneten und abenteuerfreien Alltag gelüstet. Statt Dirndl und Loden tragen sie lieber lederne Bundschuhe, Kettenhemden und Wämser. Sie werden gelockt von  Ritterspielen, Hexen, Gauklern, Met und Gothic-Musik. Auf Mittelaltermärkten und Festivals schlüpfen sie in andere Rollen, um unterdrückte Wünsche auszuleben und im extatischen Tanz zu vergessen, was das normale Leben eines Informatikstudenten ausmacht.

Begegnen sich Vertreter der beiden Gruppen auf der Straße, rümpfen beide die Nase und sehen die Verkörperung des Bösen vor sich. Dabei übersehen sie, dass sie viel mehr gemeinsam haben, als tatsächliche Gegensätze.

Besonders eins verbindet die Generationen und gesellschaftlichen Gruppen, auch wenn sie ihre Gegenwartsflucht unterschiedlich umsetzen: Die Liebe zum Bier und dem speckigen Design der zugehörigen Flaschen. Da viele Beziehungen nur dank des Konsums von Alkohol funktionieren, lässt sich also feststellen, dass Hoffnung für den Zusammenhalt der Gesellschaft mitsamt ihrer Subkulturen besteht.

Ich wünsche Ihnen stets einen bekömmlichen Ausflug in die bunte Welt der Vergangenheit!

Philipp Heine